Das Machtmonopol der gesetzlichen Krankenkassen
Wie weit reichen die Befugnisse der Krankenkassen, wenn es um die Beitreibung von Prämien im Bereich der Pflichtversicherung geht? In der Versicherungsbranche und auf dem Gesundheitsmarkt ist der Lobbyismus allgegenwärtig und stärkt die Monopolisten, die gegen die Machtposition wie gegen Windmühlen kämpfen.
Warum gesetzliche Krankenkassen von der Krankenversicherungspflicht profitieren
Als Beamter, Freiberufler und Selbstständiger kann man den Krankenversicherer in Deutschland frei wählen. Das ändert nichts daran, dass jeder Bundesbürger in eine Krankenkasse einzahlen und sich für den Ernstfall pflichtversichern muss. Hartz4 Bezieher, Rentner und Aufstocker werden über das Sozialsystem krankenversichert und sind dementsprechend meist Mitglieder in der AOK oder der BARMER. Arbeitnehmer, die jährlich über 64.350 EURO Bruttogehalt verdienen, werden aus der gesetzlichen Krankenkasse “entlassen” und müssen sich entweder freiwillig weiterversichern oder in eine private Krankenversicherung wechseln. Praktisch ist jeder, der nicht privat versichert ist, durch die gesetzliche Krankenversicherungspflicht ein Mitglied der GKV, von denen die AOK und die Barmer Ersatzkasse durchaus als Monopolisten anzusehen sind.
Versicherungspflicht – Problemstellung oder soziale Sicherheit?
Hier lässt sich ein Bezug zu den USA herstellen, wo die Versicherung in Krankenkassen freiwillig ist. Doch tritt ein Versicherungsfall ein, müssen Nicht-Mitglieder mit hohen Krankenhausrechnungen und einer lebenslangen Verschuldung rechnen. Die Versicherungspflicht in den Krankenkassen dient schon der sozialen Sicherheit, doch stellt die gleichzeitig vor Probleme, die viele Menschen in die Insolvenz getrieben und den finanziellen Ruin begünstigt haben. Wer zum Beispiel vor der Versicherungspflicht in 2009 nicht krankenversichert war und anschließend aus einer Selbstständigkeit in Hartz4 ging, hat nicht selten durch die jetzt erfolgende Anmeldung in der Pflichtversicherung eine riesige Nachforderung aus den vorangegangenen Jahren erhalten. Nur der Beweis einer privaten Krankenversicherung konnte die nun folgende Flut von Inkasso-Schreiben, Kontopfändungen und monetären Einschränkungen bis hin zur Insolvenz noch stoppen.
Nachforderungen aus vergangenen Jahren – wie viel Krankenkassenpflicht ist gerecht?
Wer nicht krankenversichert ist, begeht keine Straftat. Dennoch haben die gesetzlichen Krankenkassen den langen Arm des Gesetzes auf ihrer Seite und dürfen Lohn- und Sachpfändungen vornehmen. Wer den Aufforderungen zur Nachzahlung nicht nachkommt, muss mit dem Besuch vom Zoll rechnen. Fakt ist, dass Beitragsnachforderungen bei der GKV nicht erlöschen. Für viele Betroffene, die nicht in der AOK oder in der Barmer versichert waren und nun rückwirkend für den Zeitraum der Krankenversicherungspflicht eine Rechnung erhalten, ist diese Nachforderung ungerecht und einschneidend. Hinzu kommt, dass die Versicherungsleistungen nur in abgespeckter Form – als Notfallversorgung – nutzbar sind. Dieser Umstand macht die Nachforderung noch unplausibler, wenn der Betroffene nie eine freiwillige Weiterversicherung bei einer der gesetzlichen Krankenkassen abgeschlossen hat.
Keine Nachzahlung, keine Versicherungsleistung?
Offiziell sind in Deutschland rund 143.000 Menschen nicht krankenversichert. Die Dunkelziffer liegt deutlich über dieser Menge und schließt viele Menschen mit Altschulden bei Krankenkassen ein. Wer kein Einkommen bezieht und die Hartz4 Beantragung bei der ARGE ablehnt, ist nicht krankenversichert. Das heißt allerdings nicht, dass keine Beiträge anfallen. Jegliche Phase ausgesetzter oder aus anderen Gründen nicht gezahlter Krankenversicherungsbeiträge addiert sich auf. Da die Krankenversicherungspflicht besteht, können Mitglieder einer Krankenkasse nicht mehr gekündigt werden. Das heißt allerdings, dass jeden Monat eine neue Beitragsschuld entsteht und die Summe, die im Endeffekt eingefordert wird, kontinuierlich wächst. Trotz der Prämienschuld sind die Leistungen eingeschränkt. Wer erkrankt, kann nur die Notfallversorgung in Anspruch nehmen. Vorsorgeuntersuchungen und klassische Arztbesuche werden bei einer ruhenden Krankenversicherung nicht übernommen. Einige Mitglieder großer gesetzlicher Krankenkassen berichten sogar darüber, dass die Versichertenkarte eingezogen oder direkt im System deaktiviert wurde.
Rückwirkender Schuldenerlass – nur eine Kulanzsache?
Wer sich bis 2013 bei seiner ehemaligen Krankenkasse meldete – und anmeldete, konnte in den meisten Fällen von einem Schuldenerlass profitieren. Doch der Zeitraum ist verstrichen und wer bis heute seiner Versicherungspflicht nicht nachgekommen ist, muss mit einer rückwirkenden Forderung bis ins Jahr 2009 rechnen. Ausnahmen bestätigen die Regel, auch wenn gerade große gesetzliche Krankenkassen eher selten eine Ausnahme machen. Wer keine Leistungen in Anspruch genommen hat und eine Gesundheitsprüfung besteht, kann eine Schuldenermäßigung beantragen und dürfte damit im Regelfall Glück haben. Fakt ist doch, dass die Beitragspflicht in gesetzlichen Krankenkassen dazu führt, dass Menschen ohne Einkommen zum Sozialamt gehen und Hartz4 beantragen müssen.
Man könnte in diesem Fall durchaus von einer Diskriminierung sprechen, da dieser Weg für viele Betroffene so schamhaft ist, dass sie lieber auf die staatliche Unterstützung und auf die Krankenversicherung verzichten. Die Politik hat mit der Krankenversicherungspflicht ein Problem begünstigt, dass den gesetzlichen Krankenkassen eine hohe Macht gegenüber ihrer ehemaligen sowie nicht zahlungsfähigen Mitglieder verschaffte. Wer nicht pflichtversichert ist und sich zum Beispiel nach einer gescheiterten Selbstständigkeit absichern möchte, kann neben dem Gang zur ARGE jederzeit durch eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung wieder ins System gelangen und fortan krankenversichert sein.
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